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Podiumsdiskussion zum Thema "Sterbehilfe"

Die aktuelle politische Debatte rund um "Sterbehilfe" thematisierte die Katholische Arbeitnehmerbewegung (KAB) Buxheim-Tauberfeld im Rahmen einer prominent besetzten Podiumsdiskussion in Buxheim. Am Mittwoch, 22. April 2015 sprachen Fachleute aus verschiedenen Bereichen mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus ihrer jeweils unterschiedlichen Sichtweise.

Zu Wort kamen Tanja Schorer-Dremel, Professor Stephan Müller, Dr. Michael Ried und Carmen Pickl. Die Moderation führte Bernhard Löhlein von Radio K1.

Tanja Schorer-Dremel ist Abgeordnete der CSU für den Stimmkreis Eichstätt im Bayerischen Landtag, Kreisrätin im Landkreis Eichstätt und stellvertretende Landrätin, außerdem Mitglied im Eichstätter Stadtrat. Die ausgebildete Grundschullehrerin war zuvor Rektorin an der Grundschule Walting.

Professor Dr. Stephan Müller ist seit 1999 Inhaber des Lehrstuhls für Moraltheologie an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Seine Forschungsschwerpunkte liegen unter anderem in aktuellen Fragen der Bioethik und der Suizidforschung.

Dr. Michael Ried ist Oberarzt an der Palliativstation im Klinikum Ingolstadt und praktiziert als Facharzt für Anästhesiologie. Ziel einer Palliativstation ist es, Menschen mit einer fortgeschrittenen unheilbaren Krankheit Linderung der Symptome zu verschaffen, so dass die verbleibende Lebenszeit mit einer möglichst hohen Lebensqualität verbracht werden kann.

Carmen Pickl koordiniert den Hospiz- und Palliativdienst des Malteserordens im Bistum Eichstätt. Etwa 2.000 ehrenamtliche Helferinnen und Helfer begleiten in 80 ambulanten Diensten und sieben Kinderhospizdiensten Kranke und deren Angehörige.

Nachdem in anderen Ländern, wie u.a. in Belgien und den Niederlanden seit 2002 Sterbehilfe sehr weitgehend geregelt ist, ist bei uns die aktive Sterbehilfe strafbar. Im Herbst 2015 wird der Deutsche Bundestag ein Gesetz über die Sterbehilfe verabschieden. Frau Schorer-Dremel geht davon aus, dass es zu einem Kompromiss kommen wird. Nach jetzigem Stand dürfte eine assistierte Sterbehilfe am wahrscheinlichsten sein. Ist es gut, dass der Gesetzgeber dieses Thema vorgibt, so fragt die CSU-Politikerin weiter. Was ist ethisch, was ist rechtlich die richtige Haltung?  Werte werden nicht mehr selbst getragen, sondern so wie es die Gesellschaft uns vorgibt. Wer stirbt noch zu Hause und welche Angehörigen haben die Zeit dafür? Die Politik, so Schorer-Dremel weiter, muss dem Schutz des Lebens Vorrang vor jedem Nützlichkeitsdenken geben. Die von der in Bayern eingesetzte Bioethikkommision (besteht aus 16 Personen verschiedenster Bereich, wie Wissenschaft, Kirche u.s.w.), sieht dies als ihre Leitlinie und stellt derzeit das Thema „Hilfe am Lebensende“  vor. Auch die finanzielle Unterstützung seitens der Politik für die Palliativstationen und für die Hospizarbeit ist sehr wichtig. Dabei ist der Gedankenaustausch mit den praxisorientierten Gruppen essentiell.

Dr. Michael Ried gehört in der Palliativ in Ingolstadt einer solchen Gruppe an. Auch für ihn ist der Austausch mit den verschiedenen Berufsgruppen wichtig. 70% der Schwerkranken sterben auch auf der Palliativ. Ziel der Palliativ ist es, den Menschen möglichst viele lebenswerte Tage zu geben. Sehr häufig sind es krebskranke Menschen. Schmerzen, Atem- oder Verdauungsprobleme sind häufige Problembereiche. Aber auch die psychosozialen oder spirituelle Bedürfnisse sind zu beachten. Die oft gehörte Frage „Ich will nicht mehr leben“ heißt oft, so Dr.Ried, „Ich will so nicht mehr leben“. Wichtig sind, so der Mediziner, die sozialen Kontakte: „Wie will ich, dass die mit mir umgehen“. Mit der SAPV gibt es auch die Möglichkeit, dass Patienten zu Hause betreut werden. Derzeit sind dies etwa 200 Patienten pro Jahr.

Die höchste Zahl an Suizidfällen gab es Deutschland 1977. Von den damals TSD 20 Fällen sind es aktuell noch TSD 10. Dabei nimmt die Zahl der über 70-jährigen, die dreimal so hoch ist, deutlich zu. Prof. Dr. Müller stellt die Frage, wie frei der Mensch tatsächlich ist. In einer verzweifelten Situation, und das trifft bei älteren Menschen häufiger zu, ist eine freie Entscheidung nicht mehr möglich. Wichtig ist, so der Moraltheologe, die Wertschätzung eines Nahestehenden, eines Mitgehens mit dem Patienten.  Der Kranke wird die Aussagen der Nahestehenden wie ein Spiegel für sich selbst sehen. Prof. Dr. Müller fragt weiter, was wäre, wenn es ein Recht für Suizid gebe? Es müsste dann zwischen Leben und Suizid gewählt werden. Dies würde die Gefahr gerade für Menschen im hohen Alter oder depressive Menschen bedeuten, dass aus dem Recht eine „gewisse Staatspflicht“ würde. Unter Umständen würde auch die Entlastung der Angehörigen als Pflicht angesehen werden. Das am meisten ungelöste Problem unserer Gesellschaft ist der Umgang mit Schwächen, mit Leid, mit Endlichkeit, mit Tod. Wie kommen wir dahin, den gesamten Lebensbogen anzunehmen?   

Auch die Hospiz, die aktuell 30 aktive Hospizbegleiter in Eichstätt hat, kooperiert mit anderen Einrichtungen, so Carmen Pickl. Sie stellt  immer wieder fest, dass bei einer schlechten Diagnose bei den Betroffenen zunächst einmal die Welt zusammenbricht. Dabei ist die Haltung dieser Ehrenamtlichen essentiell. Der Patient soll nicht ins „Leere“ fallen. Wichtig ist auch der Trost und der Umgang mit den Angehörigen. Auch sie erlebt Patienten, die Angst vor der Abhängigkeit der Pflege haben, die sich um die finanzielle Sorgen machen oder die nach Sinnfragen suchen. Ist das Leben in dieser Situation noch lebenswert. Dennoch sieht sie den assistierten Suizid problematisch, da der Patient bedrängt werden könnte. Die Würde ist wichtig. Und die Hospizeinrichtung mit ihren ehrenamtlichen Helfern versucht ihnen die Würde zu geben.   

Sind nicht oft die Angehörigen überfordert, so eine Publikumsfrage. Für die Malteser, so Carmen Pickl, ein wichtiges Thema. Sie haben u.a. ein Projekt für Kinder in Schulen zum Thema „Umgang mit dem Tod“.

Eine weitere Frage aus dem Publikum beschäftigte sich mit der indirekten Sterbehilfe. Sie spielt lt. Dr.Ried keine Rolle in der Palliativ. Man muss wissen, dass das Nicht-mehr-essen-wollen eines Sterbenden nicht als Suizid betrachtet wird. Es gehörte früher  zu einem natürlichen Vorgang. Mit der heutigen Technik der Medizin kann dieses Stadium oft verlängert werden.

Gibt es nicht eine „Kunst zu Sterben“, so Prof. Dr. Müller. „Wir brauchen mindestens 20 Jahre, um uns auf das Leben vorzubereiten und wir brauchen 20 Jahre für die Vorbereitung auf den Tod“

Alle Referenten waren sich einig, dass die Beheimatung im Glauben für das Sterben hilfreich ist.

Weitere Videos von der Podiumsdiskussion (ungeschnitten und in voller Länge):